Die Ursachen von Verhaltensauffälligkeiten und Störungen bei Kindern und Jugendlichen sind in erster Linie in deren Lebensumfeld zu finden. Zum Lebensumfeld gehören zuerst das Familiensystem, weiterhin andere soziale Einflussfaktoren, die auf die jungen Menschen einwirken. Den „Störungen“ eines jungen Menschen liegen oft nicht festgestellte primäre systemische Ursachen zugrunde. Auf der Ebene des beobachtbaren und wahrnehmbaren Verhaltens bilden diese Ursachen sich durch Sekundärsymptome -die Verhaltensauffälligkeiten- ab. Kinder und Jugendliche sind meist die Symptomträger ihrer Familie.

Fremduntergebrachte Kinder werden zwar in einem „neuen“ sozialen Bezugssystem sozialisiert, doch in ihnen wirkt die Geschichte ihrer Herkunftsfamilie weiter. Auch aus diesem Grund müssen die leiblichen Eltern geachtet und beteiligt werden, denn in der Seele des Kindes haben sie Vorrang. Durch die Beachtung der leiblichen Eltern entsteht im Herkunftssystem in der Regel Zustimmung zur Fremderziehung. Diese Zustimmung ist eine wesentliche Voraussetzung dafür: dass die in Fremderziehung befindlichen jungen Menschen all das von Sozialen Eltern lernen, was ihnen die leiblichen Eltern nicht geben können.

Im Kontext der sozialen Familie erhalten fremduntergebrachte Kinder vor allem Halt gebende, schützende und sichere Lebensbedingungen, die es ihnen ermöglichen Beziehungen aufzubauen, sozial zu lernen und vergangene Erfahrungen zu korrigieren. Jedes Kind sollte sich nach seinem individuellen Tempo entwickeln und seine Kräfte entfalten dürfen. Nach unserer Ansicht und Erfahrung können seine negativen Erfahrungen am wirkungsvollsten unter familiären oder familiennahen Lebensbedingungen bearbeitet und korrigiert werden. Falls erforderlich, wird die sozialpädagogische Arbeit durch externe therapeutische Hilfen für den jungen Menschen ergänzt.

Die sozialpädagogische oder therapeutische Arbeit mit den Kindern und Jugendlichen führt dann zu befriedigenden Ergebnissen, wenn deren Eltern im Rahmen ihrer Möglichkeiten verantwortungsvoll und angemessen in den Prozess der Fremderziehung eingebunden werden. Herkunftseltern werden ressourcenorientiert beraten und begleitet. Beim fremduntergebrachten Kind entsteht dann Entlastung, wenn Herkunftseltern zunehmend Verantwortung übernehmen, ihre persönliche Situation realistisch einschätzen können und dadurch ihre Elternkompetenzen verbessern.

Die sozialen Eltern sind als die sozialen Bezugspersonen des Kindes vielfältig eingebunden und unterstützt. Sowohl durch regelmäßige individuelle Erziehungsplanungen und Teambesprechungen, als auch durch die Unterstützung und Beratung pädagogischer Leitungen. Sie arbeiten unter externer Supervision, um den schwierigen Prozess zwischen Distanz und Nähe professionell handhaben zu können. Der Fremderziehungsprozess wird von einer achtenden Haltung getragen. Wertschätzung, Neutralität, Selbstreflektion und Biographiearbeit seitens der sozialen Bezugssysteme und ihrer Berater sind Bestandteil einer achtenden Haltung.

Durch eine systempädagogische Diagnostik erhalten die jungen Menschen einen neutralen Raum um sich Personen anvertrauen zu können, die nicht am alltäglichen Prozess der Fremderziehung beteiligt sind. Dadurch haben Kinder und Jugendliche eine weitere Möglichkeit, ihrer Not und ihren Sorgen eine Stimme zu verleihen. Fragen wie:

• „Was wirkt in der Tiefe der Familie aus der die Kinder kommen? Welche der Bindungen und Loyalitäten der Kinder müssen anerkannt werden? Welche Haltungen der Erwachsenen wirken heilend und dienen der Entwicklung der Kinder? stehen dabei im Mittelpunkt.

Die Einbindung der diagnostischen Perspektive im Fremderziehungsprozess ist ein Qualitätselement, das zielgerichtete Arbeitshypothesen ermöglicht.

In Ferienseminaren, die während der Schulferien stattfinden, erhalten die sozialpädagogischen Familien und die sozialen Bezugspersonen der aufgenommenen Kinder Entlastung. Die Betreuungsarbeit in den familiären Heimaußenstellen wird durch Ferienseminare unterstützt und ergänzt. Gerade durch Umfeldveränderung ist es möglich, den jungen Menschen weitere Chancen und Handlungsspielräume zu eröffnen.

Das aufgenommene Kind wird so betreut und begleitet, dass es nach seinem individuellen Tempo erfährt und lernt, sich sowohl mit seiner biologischen Familie als auch mit seinem sozialen Bezugssystem zu Recht zu finden. Es lernt mit zwei Familien zu leben. In diesem Kontext gibt es keine „besseren“ und keine „schlechteren“ Eltern. Das Wohl des Kindes steht bei diesem kunstvollen Prozess im Zentrum der Aufmerksamkeit. Er erlaubt Veränderung und persönliches Wachstum sowohl für das Kind als auch für seine Eltern.